Kein Respekt vor dem Alter

Warum eine Generation abdankt und was Marius Müller Westernhagen damit zu tun hat.

Hodenhals
Kein Geheimnis: Mit dem Alter wachsen die Ohren

Gevelsberg. Es ist das 20-jährige Jubiläum des Grundschulabschlussjahrgangs von 1996. Eine nachdenkliche Atmosphäre bestimmt das Klassentreffen in der Kleinstadt nahe Hagen und Wuppertal. Thomas G. (29) schwelgt in Erinnerungen: »Die Zeiten des Hedonismus nach dem Wirtschaftswunder waren deutlich abgeklungen. Es war für uns nicht leicht in der Grundschule. Schließlich kamen nach der Wende jede Menge Wirtschaftsflüchtlinge aus dem Osten rüber und deren Integration war alles andere als reibungslos. Es trafen Welten aufeinander, die ohne Zugeständnisse nicht miteinander vereinbar gewesen wären. Unsere Sensibilität war damals vorbildlich, haben wir doch jeden Menschen auf die gleiche Weise angesprochen.«

Früher war alles besser

Während der Ausführungen seines gealterten Schulfreunds schließt Daniel W. einen Knopf seiner zeitlosen Trainingshose. Auch er spielt auf die Schwierigkeiten im Umgang mit den einseitig ernährten Brüdern aus dem Osten an: »Alter, das stimmt. Denen war der Überfluss der westlichen Welt völlig unbekannt.« Der Song »Dicke« von Marius Müller Westernhagen wurde einstimmig auf den Index verbannt. Was 1978 en vogue war, passte nicht mehr in die Gegenwart. Die Entscheidung für oder gegen Adipositas gab es im Osten aufgrund der Planwirtschaft nicht. So war die Jugend der 90er-Jahre um Toleranz bemüht. Einheitliche Anreden waren von daher an der Tagesordnung. »Für uns war der Respekt vor dem Alter die letzte Zuflucht «, sind sich die beiden Schulfreunde einig.

Dick wieder chic?

Mit völligem Unverständnis beobachten sie die Entwicklungen der letzten Jahre. Bekanntlich hat die soziale Ungleichheit in Deutschland seit ihrer Grundschulzeit eher zugenommen. Doch während es sich zu Beginner nur um ein lokales Problem aus dem Raum Hamburg gehandelt hat, greift der Trend mittlerweile deutschlandweit um sich. Auch in Gevelsberg wird bereits seit 2009 jährlich ein Festival mit dem Namen »Dickes G« veranstaltet. »Ausgesprochen intolerant und respektlos« findet nicht nur Thomas diese Bezeichnung. Resigniert stellt er fest: »Alter, jeder sagt Digga heutzutage

Autor: Alexander Keßel

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